3.Dezember 2006, NZZ am Sonntag

Warum Frauen immer wieder auf die gefährlichen Männer hereinfallen. Von AlexaHennig von Lange

Neulich dachte ich beim Bettenmachen über Jerry Hall nach. Ich strich die Decke glattund fragte mich, warum sich ausgerechnet eine Top-Frau wie Jerry Hall jahrzehntelangmit einem notorischen Sex-Maniac wie Mick Jagger herumgeärgert hat. Überhaupt gibtes ja ausgesprochen viele Top-Frauen, kam mir als Nächstes in den Sinn, die sich mitunzuverlässigen Typen wie Mick Jagger herumärgern. Kate Moss zum Beispiel mit PeteDoherty, Consuelo Suncin Sandoval mit Antoine de Saint-Exupéry, Ingeborg Bachmannmit Max Frisch oder Nicole Kidman mit dem Country-Sänger Keith Urban. All diese Männerzählen definitiv zu der Gruppe der schwierigen Fälle, zu den sogenannten «Bad Boys».

Und obwohl es auch für das naivste Landei offensichtlich ist, dass es unmöglich ist,mit dieser Sorte Mann glücklich zu werden, sind wir Frauen verrückt nach ihnen. Manerkennt sie sofort an ihrem wilden, suchenden Blick, ihren auffordernden Gesten, ihremjungenhaften Wesen. Ihrem Sinn für Abenteuer und Romantik. Leider ist auch ziemlichschnell klar, dass sie keinerlei Sinn für Verantwortung haben, uns bei jeder Gelegenheitanlügen und unseren Geburtstag vergessen. Ausserdem haben sie mit ziemlicher Sicherheitschon seit Jahren nicht mehr mit ihrem Vater gesprochen, und mit Drogen haben sieauch fast immer ein Problem. Trotzdem schmelzen wir dahin.

Evolutionsbiologisch gesehen spricht kaum etwas für die schwierigen Männer. Der SexualwissenschafterDietrich Klusmann meint: «In allen Beziehungen geht es im Grunde um den Fortpflanzungserfolg.»Das heisst, wir Frauen halten es wie die Vögel: «Such dir einen hilfsbereiten Meisenmann,habe Sex mit ihm, damit du Eier legen kannst, auf die der hilfsbereite Meisenmannaufpasst.» Aufpassen ist nicht die Stärke der Bad Boys.

Warum also die Faszination der Männer, auf die garantiert kein Verlass ist? Zuersteinmal: Bad Boys versprechen Spannung. Bad Boys sind die Risikosportart der Frau.Frauen mögen sich nicht so viel aus gefährlichen Beschäftigungen wie Base Jumpingoder Achttausender-Alpinismus machen. Geht es aber um einen Mann, kann auch eine Frauden Reiz des Risikos sofort nachvollziehen.

Des Weiteren sind Bad Boys meist sehr unterhaltend, was womöglich damit zusammenhängt,dass sie die allermeiste Zeit unglücklich sind, was der Kreativität und dem Einfallsreichtumja noch nie geschadet hat. In aller Regel reden sie von Dingen, die einen auch wirklichinteressieren, weil sie natürlich nicht Jus oder BWL studiert haben, sondern, wennüberhaupt, Kunstgeschichte oder Ethnologie.

Anderseits gibt es für die Begehrlichkeit der Bad Boys auch einen ganz einfachen Grund:Sie sind seltener als Good Boys, die Anpasser und Konformisten, die brav jeden Tagins Büro gehen, ihre Steuern zahlen, Verantwortungsbewusstsein zeigen, und, wenn esdie Frau so will, das Kleinkind am Samstagmorgen vor der Brust durch die Fussgängerzonetragen, etwas, was ein Bad Boy nie im Leben tun würde.

Aber Obacht: Es gibt eine Unzahl von Männern, die sich unter die echten Bad Boys schummeln,indem sie sich ebenfalls tätowieren lassen und sich peinliche Muskeln antrainieren,ohne sie in gefährlichen Situationen tatsächlich einzusetzen. Bei Kidmans ProblemfallKeith Urban habe ich zum Beispiel so meine Zweifel, ob der tatsächlich ein echterBad Boy ist. Ich befürchte, Nicole ist auf einen Möchtegern hereingefallen. Natürlichträgt Keith verwegene Cowboy-Boots, trinkt zu viel und brettert auf Motorrädern überParkplätze. Aber kann ein echter Bad Boy einer Schallplatte wirklich den absolutenSchnulzen-Titel «Love, Pain & The Whole Crazy Thing» geben? Eben.

Wahre Bad Boys sind also rar und insofern mit angesagten Handtaschen zu vergleichen.Im Gegensatz zu den Handtaschen haben die Bad Boys aber den Vorteil, dass man sieauch haben kann, wenn sie schon eine andere hat. Denn natürlich kann nicht jede Fraumit einem Bad Boy verheiratet sein. Sie kann aber versuchen, wenigstens solch einenMann für einen Seitensprung zu begeistern, was ja bei richtigen Baddies nicht wirklichschwer fallen sollte.

Dass man mit der Ausleihe von Bad Boys wohl sogar besser fährt als mit deren Besitz,zeigen viele Beispiele. Nicole Kidman muss ihren Mann schon kurz nach der Heirat wiederin der Alkoholklinik besuchen. Und Kate Moss hatte ihren Troublemaker diesen Sommerzwar endlich zur Heirat überreden können, doch am grossen Tag wartete sie in Balivergeblich auf ihn. Er war in London leider schon wieder abgestürzt.

Jerry Hall und Britney Spears haben es da besser, sie haben es schon hinter sich.Sie sind von ihren Bad Bodys wieder getrennt. Ewig dauert es mit den Bad Bodys nie.Irgendwann ist Schluss – um so mehr natürlich, wenn die Nachkommenschaft gesichertist. Dann halten wir Frauen es doch lieber wie die Vögelein: Wir ziehen den ehrlichen,treuen Partner vor, der unsere Nachkommenschaft mit Liebe und Fürsorge durch Kindheitund Jugend begleitet. Das heisst: bis dann der nächste Bad Boy in unser Leben torkelt.

Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: http://www.nzz.ch/2006/12/03/vm/articleENXX8.html

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